Wie alles begann...

Der Reiterverein Grüppenbühren von 1908

 

Eine kurze Chronik von Günther Wiltfang, Stenum

 

Es waren junge Landwirte des Reitklubs „Elegant“ in Delmenhorst, die im Jahr 1908 den Reiterverein Grüppenbühren gründeten.

 

Sie wollten nicht mehr die langen Anmarschwege auf sich nehmen und einem bodenständigen Verein angehören. Eine Idee, die man sehr gut nachvollziehen kann, gab es doch weder geeignete Autos noch moderne Pferdeanhänger. Die Gründer waren die Herren Adolf Backenköhler/Mönchhof, Adolf Wübbenhorst/Wübbenhorst, Johann Himmelskamp/Stenum, Friedrich Lahusen und Karl Schwarting/Stenum.

 

Geritten wurde sonntags nach dem Exerzierreglement der Kavallerie zunächst auf dem  Reitplatz „Hohen Heide“ unter dem Kommando von Rittmeister G. Suhren – alles in einheitlicher Reitkluft mit grün-weißer Mütze und dem Vereinsabzeichen auf der linken Brustseite.

 

Aber auch auf Geselligkeit wurde geachtet und die sogenannten „Jammerkaffees“ im Vereinslokal „Beltes Sommerfrische“ am Hasbruch brachten Abwechslung und waren sicher manchmal nötig.

Grüppenbührener Reiter 1918
Grüppenbührener Reiter 1918

 

 

Der 1. Weltkrieg 1914 – 1918 brachte den ersten großen Einschnitt im Vereinsgeschehen der Grüppenbührener Reiter. Aber schon bald nach dem Ende des Krieges erwachte der Verein zu neuem Leben.

 Am 15. April 1919 wurde folgender Vorstand gewählt:

1. Vorsitzender: Adolf Wübbenhorst,

2. Vorsitzender: K. Schwarting,

Kassenwart und Schriftführer: Joh. Himmelskamp, Stellvertreter: K. Lahusen.

 

Das dressurmäßige Reiten wurde emsig betrieben und auf dem Landesturnier – damals noch in Oldenburg – gewann der RV Grüppenbühren gegen stärkste Konkurrenz den Pokal.

 

Auch der Fahrsport wurde gepflegt und entwickelte sich zu einer beträchtlichen Variante im Pferdesport. Eine Springausbildung, wie heute üblich, gab es damals noch nicht.

 

In jener Zeit entstand der idyllische Reitplatz  am Hasbruch, wo die Reitausbildung seit 1933 in den Händen von Joseph Langebröker lag.

 

 

Landespferdeleistungsschau in Radstede 21.-22. Juli 1956
Landespferdeleistungsschau in Radstede 21.-22. Juli 1956

Den zweiten großen Einschnitt ins Vereinsgeschehen brachte der 2. Weltkrieg. Trotz des bitteren Endes war, wie überall in Deutschland, der Wille zum Neubeginn ungebrochen.

 

 

Schon am 18. April 1946 trafen sich im Vereinslokal 42 Reiter zusammen, fest entschlossen den Verein zu neuem Leben zu erwecken.

 

 

 

Unter dem Vorsitz der Herren Kurt von  Seggern, Heinrich Himmelskamp, D. Schwarting, J. Langebröker und den Reitlehrern Otto Kruse und Johann Harfst ging man mit gewohntem Schwung erneut ans Werk.

 

Sie schufen die Grundlage für manchen schönen Mannschafts- und Einzelsieg.

Als Grüppenbührener Reiter holte damals auch Gerd Wiltfang die ersten Schleifen seiner großen Karriere.

  

Seinen dritten großen Einschnitt erlebte der Verein durch die Technisierung der Landwirtschaft. Durch den Siegeszug der Traktoren verschwanden die Pferde mehr und mehr von den Bauernhöfen. Es kamen schwere Jahre für den Verein, drohte ihm doch die Grundlage verloren zu gehen. Jedoch die Übertechnisierung unseres Lebens und der steigende Wohlstand mit seinem vermehrten Freizeitangebot ließen in den 1970er Jahren sozusagen als Ausgleich das Bedürfnis im Menschen wachsen, wieder die Beschäftigung mit der Natur zu suchen.  Das Pferd als treuer Begleiter und Gehilfe des Menschen seit der Urzeit kam damals als Sportgefährte erneut zu Ehren. Die Jugend aber auch ältere Menschen drängte es in den Sattel: sei es als Voltigierer, als Turnier- oder Freizeitreiter.

 

Im Jahr 1973 übernahm der Verein erstmals seit vielen Jahren wieder die Ausrichtung eines Turniers, nämlich des Kreisjugendturniers des Kreisreiterverbands Delmenhorst, welches in Folge von über 20 Jahren in Grüppenbühren verblieb.

 

Der Verein wuchs und mit ihm die Aufgaben. Der Vorstand  erkannte sie und stellte sich ihnen. Um der weiteren Entwicklung Rechnung zu tragen, baute er 1976 eine moderne Reitanlage mit Halle, Aufenthaltsraum und 22 Boxen für die Pferde. Damit war die Grundlage für die Aufwärtsentwicklung eines modernen Vereins gelegt.

 

In den folgenden Jahren erfolgte der weitere Ausbau des Vereins und der Anlage. Die Turniere erreichten Größenordnungen von über 1000 Nennungen und Grüppenbührener Reiter/ innen kämpften erfolgreich auf allen Turnierplätzen um Schleifen und Meisterschaften. Die Austragung einer Vielseitigkeitsprüfung im Gelände von Gerd Wübbenhorst gehörte seit 1975 zum festen Bestandteil des Turnierprogramms. Außerdem wurde jährlich zur großen Herbstjagd geblasen, die über 15 bis 20 km durch den herrlichen Hasbruch und das Stenumer Feld führte – angeführt unter anderen von so bekannten Turnierreitern wie Gerd Wiltfang und Heinz Osterloh.

 

Mit der positiven Entwicklung des Vereins in diesen Jahren sind die Namen der Mitglieder der Vorstände und aller Vereinsmitglieder jener zeit untrennbar verbunden. Ihrer aller Einsatzwille machte diese Leistung erst möglich. Hier nun einige Namen an führender Stelle: Otto Kruse, Erwin Otte, Günther Otto, Claus Rowehl, Arnold Ruppert, Hayo Steenken und Günther Wiltfang. Der Verein hatte damals 256 Mitglieder.

 

Nicht nur der Sport, sondern auch die Geselligkeit wurde gepflegt, sei es durch die jährliche zünftige  Kohlfahrt, das Osterfeuer, das gemütliche Beisammensein anlässlich des Vereinsturniers oder die traditionelle Weihnachtsfeier. Auch manch zünftiger Reiterball trug dazu bei. Im Jahr 1998 baute der Verein für die Turniere einen Richterturm mit Meldestelle und 1993 als weitere Trainingsmöglichkeit eine Voltigierhalle. Andere Verbesserungen kamen im Laufe der Jahre hinzu: die Erneuerung der Boxenwände in Bongossiholz, die Erneuerung der Bande mit einem durablen Betonsockel, der Einbau neuer Stallfenster gegenüber der Halle für Vereins- und Pensionspferde. Der Verein hat zur Zeit die stattliche Zahl von 397 Mitglieder erreicht und führt ein schuldenfreies Dasein.

   

In sportlicher Hinsicht war die Entwicklung ebenfalls sehr erfolgreich und der mehrfache Gewinn der Kreismeisterschaft sowohl in der Dressur als auch im Springen geben hiervon Zeugnis.

Die Voltigierer gewannen mehrfach die Weser-Ems Meisterschaft und erkämpften sich die Teilnahme an nationalen Wettkämpfen (Deutscher Voltigierpokal-M-Cup, Deutschen Meisterschaft).

Gerd Wiltfang

Eine Oldenburger Reitsportlegende – Ein Grüppenbührener Junge

Aufgezeichnet von Günther Wiltfang

 

Einfach unvergessen ist und bleibt in der Oldenburger Reiterei eine Reiterpersönlichkeit, die aus dem hiesigen ländlichen Bereich hervorgegangen ist: Gerd Wiltfang aus Schierbrok in der Gemeinde Ganderkesee. Sein Vater, ein Pferde- und Reitsportbegeisterter Bäckermeister bescherte dem Sechsjährigen zu Weihnachten ein Pony namens Bobbi. Mit ihm gewann er auf dem Turnier seines Vereins in Grüppenbühren sein erstes Ponyrennen.

 

Etwas später ritt er dann den legendären Bubi, mit dem er landauf landab als "Roter Teufel von Schierbrok" reihenweise die Ponyrennen gewann, unter anderem auch 1956 zehnjährig auf dem Landesturnier in Rastede – vom Großherzog persönlich dekoriert. Der Großherzog war übrigens der erste, der ihm eine große Karriere prophezeite.

 

Und das kam so:

Die Schule Schierbrok machte ihren Sommerausflug nach Rastede natürlich mit Besichtigung des Schlossparks. Gerd interessierte nicht so sehr das Schloss sondern die Ponyherde des Großherzogs vor demselben. Zum Entsetzten seiner Mutter springt er über den Zaun, schnappt sich ein Pony und "knackt" mit der aufgescheuchten Herde zum Gaudium der Ausflugsgesellschaft seine Runden auf der Schlosswiese. Der Großherzog, der das Spektakel vom Schloss aus beobachtet hatte, pfiff Gerd zurück und hielt ihm eine geharnischte Standpauke. Seine Mutter aber, die sich händeringend bei im entschuldigte, tröstete er augenzwinkernd: "Beste Frau, den Jungen müssen Sie fördern. So wie der reitet, wird er einmal Karriere machen." Er sollte Recht behalten. Er hat ihm persönlich noch manche Schleife auf späteren Landesturnieren angeheftet.

 

Über Gerd Geschichten zu erzählen könnte abendfüllend werden, aber hier noch eine aus seiner frühen Jugendzeit:

Eines Tages erschien die Bahnpolizei in der Backstube seines Vaters und erklärte dem Verdutzten, dass er eine Anzeige gekommen würde. Was war passiert? Gerd besuchte in seiner Freizeit häufig das nahegelegene Gut Nutzhorn – natürlich zu Pferde. Er musste dazu die Bahnlinie Oldenburg – Bremen queren, die in Höhe des Gutes für den internen Verkehr mit einer Schrankenanlage versehen war, die bei Bedarf durch Klingelknopfdruck von einem entfernt gelegenen Bahnwärterhäuschen geöffnet werden konnte. Das hieß aber manchmal länger warten und auch Ärger mit dem Bahnbeamten, der ihn anfauchte, gefälligst den offiziellen Weg über Bahnhof Schierbrok zu nehmen. Gerd löste das Problem über Wochen auf seine Weise: schnell geschaut, ob nicht gerade ein Zug naht, wenn nein, kurz angeritten – die erste Schranke überwunden. Passend reiten konnte er damals schon, oder hatte der bereits die Bahnschranken vom Hamburger Derby im Auge?

Diesen seinen jugendlichen Übermut hat sich sein Leben lang bewahrt – oft zur Freude seines Publikums. Man denke an die Ehrenrunde auf dem 16 Zentner schweren Bullen "Jupp" nach Gewinn des Großen Preises von Hannover, der es nicht schaffte, Gerd abzuwerfen – die Zuschauer tobten!

 

Oder man erinnert sich an seinen Sieg im Springen ohne Sattel im Westernkostüm auf dem Bremer Hallenturnier und seinen immer noch ungebrochenen Rekord im Springen ohne Sattel in London, wo er 1981 im 4. Stechen des Mächtigkeitsspringens auf Goldika die 2,10 m hohe Mauer überwand.

Gerds außergewöhnliches Talent entwickelte sich und beflügelte seine Karriere. Im Jahre 1962 besuchte er gerade als 16jähriger ländlicher Reiter schon 15 Turnier, brachte 18 Siege, 10 zweite und 11 dritte Plätze heim. Er ritt damals für den RV Ganderkesee, für den er auch zusammen mit Horst Karsten, Günther Hegeler und Heinz Oetken zum 1. Mal die Landesstandarte für den Sieg in der Vielseitigkeit auf dem Landesturnier in Rastede erkämpfte.

 

Nach dem frühen Tod seines Vaters 1963 gab der die Bäckerlehre auf und folgte dem Ruf Alwin Schockemöhles nach Mühlen. Dieser hatte die Begabung frühzeitig erkannt und formte aus dem Rohdiamanten einen Brillanten des nationalen und internationalen Reitsports.

 

Mit dem Sieg in der Deutschen Meisterschaft 1966, die er insgesamt 4 Mal gewann, begann eine Erfolgsserie, die nur wenigen Reitern vergönnt ist.

Um nur einige Erfolge zu nennen:

Sieger im Großen Preis von Aachen, von Wiesbaden, von Donaueschingen, von Deutschland, von Köln, von Wolfsburg, von Luzern, von Paris, King George Cup in London, Hickstead, Sieger im Hamburger Derby, Goldmedaille mit der Mannschaft auf der Olympiade in München, 30 Siege in 55 Nationenpreisen für Deutschland, Europameister mit der Mannschaft, Europameister im Einzel in Rotterdam und schließlich Weltmeister 1978 in Aachen als Krönung.

 

Dazwischen liegen die aufregenden, wechselvollen Jahre der Arbeit für Sponsoren auf unzähligen Turnieren und schließlich Gründung und Aufbau einer Existenz als Reiter und Züchter 1978 in Thedinghausen. Seinen Reiterhof dort baute er aus zu einem Refugium, in dem er mit seiner Familie und seinen Pferden lebte und arbeitete. Es wurde eine Anlage wie im Bilderbuch, ständig besetzt mit 50 bis 80 Pferden, die er aufzog, ausbildete und auf Turnieren vorstellte. Noch in seinem letzten Turnierjahr 1996 ritt er zu 15 Siegen, 5 zweiten und 7 dritten Plätzen in der schweren Klasse. Dazu kamen 38 weitere Platzierungen in Klasse S.

 

Im Jahr 1997 setzte dann völlig unerwartet auf einer Turniertournee ein plötzlicher Herztod diesem erst 51jährigen Reiterleben ein Ende. Auf dem Friedhof seines Heimatdorfes trugen ihn seine Reiterkameraden und Mitstreiter in vielen Nationenpreisen zur letzten Ruhe. Ein Reiterleben hatte sich erfüllt.